Monitor Digitale Verwaltung #4
Auf rund 24 Seiten berichten die Autoren des Nationalen Normenkontrollrats der Bundesregierung im Monitor Digitale Verwaltung #4 über den Stand der Digitalisierung in der Verwaltung. Derzeit belegt Deutschland Platz 21. Um mit führenden Ländern in Europa gleichzuziehen, braucht es einen großen politischen Willen, weitsichtige Planungen und eine hartnäckige Umsetzung.
Und Deutschland braucht eine Strategie. Eine Strategie, die über die OZG-Umsetzung hinausreicht, die Fachverfahren im Backend integriert und die föderale Verwaltungsdigitalisierung auf ein stabiles Fundament baut.
Das sollten Sie wissen
- Digitalisierung erfolgt innerhalb bestehender Strukturen einer Organisation. Diese Strukturen zu kennen, ist eine Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsprojekten.
- Jede Organisation wird vom Umgang mit Macht geprägt – sowohl formal verankerter, „hierarchischer“ Macht als auch informeller Macht, die einzelne Mitarbeiter aufgrund ihres Agierens ausüben.
- Führung innerhalb einer Organisation sollte verschiedene Quellen, Konsequenzen und Umgangsformen von und mit Macht kennen und berücksichtigen, um Digitalisierung erfolgreich zu implementieren.
- Um Akzeptanz für die Nutzung eine Software zu erzielen, müssen die Interessen der Anwender frühzeitig berücksichtigt und die Nutzer eines Systems verantwortungsvoll mit in den Prozess der Digitalisierung einbezogen werden. Das heißt: fachspezifische Anforderungen sind trotz des Bestrebens der Standardisierung ebenso zu berücksichtigen wie eine anwenderfreundliche Nutzeroberfläche.
Mehr zum Inhalt
Damit Sie bei Bedarf schnell zum ausführlichen Text finden, haben wir für Sie die Seitenzahlen in Klammer eingefügt.
Krise als Mahnung und Chance
Die Corona-Pandemie ist für Staat und Verwaltung ein weiterer Stresstest. Ein weiterer Stresstest insofern, als dass schon 2015/2016 mit der Flüchtlingskrise digitale Fähigkeiten auf dem Prüfstand waren.
Ein Beispiel: In der Flüchtlingskrise waren es die Registrierung der Flüchtlinge und der Datenaustausch der Behörden. Heute sind es die Fallnachverfolgungen und die Meldewege von Gesundheitsämtern und Testlaboren. Damals waren es mangelnde fehlende Wohncontainer. Heute fehlende Schutzmasken. Der Bedarf vernetzter Unternehmenskonten und Register – bekannt. E-Akte-Lösungen vor Corona-Zeiten – gute Idee. (6)
Die Frage stellt sich: Hätte man besser vorbereitet sein können. Hätte man (dazu) lernen können?
Positiv: Deutschland tut sich 4 Jahre später leichter das „Digitale zum neuen Normal“ zu erklären. Es zeigt sich: dort wo „politischer Wille auf umsetzungsfähige Strukturen und digitalaffines Personal trifft“, können auch Verwaltungen schnell digital werden. (6)
Es besteht Hoffnung. Wenn Deutschland es schafft, über die „aktuelle Not“ eine Digitalstrategie umzusetzen, die Transparenz sicherstellt und Orientierung gibt, eine vitale, innovations- und wettbewerbsfreundliche sowie hochgradig standardisierte IT-Lösungs-Landschaft ermöglicht systematisch vollzugs- und digitaltaugliches Design von Gesetzen gewährleistet.
Gesamtbetrachtung und Kernbotschaft – Monitor #4
- Transparenz über den Umsetzungsstand herstellen
Zur Halbzeit der OZG-Umsetzung gibt es einzelne Referenzimplementierungen. Doch es fehlt an Transparenz und Orientierung darüber, welche der rund 600 Verwaltungsleistungen sich im Reifegrad 3 der Digitalisierung befinden, insbesondere für die Kommunalverwaltungen.
Wo stehen wir gerade in der Umsetzung? Es gibt einige Plattformen wie informationsplattform.ozg-umsetzung.de, onlinezugangsgesetz.de, ozg-kommunal.de, kgst.de/kommunect, auf denen sich Kommunen informieren und austauschen können. Doch es gibt nicht die eine Stelle, die aufzeigt, wann welche OZG-Leistungen zur Verfügung stehen.
Somit wird aus dem Transparenz- und Orientierungsproblem ein Umsetzungsproblem. Auch die flächendeckende Einführung digitaler Verwaltungsleistungen ist ungewiss. Selbst die für die Leistungen der Priorität 1 und 2. (7)
- Komplexität reduzieren und wettbewerbsfreundlich standardisieren
Die Milliarden und Millionen für die Beschleunigung der OZG-Umsetzung werden nicht ausreichen, um Erfolge zu erzielen. Denn sowohl auf Herstellerseite als auch auf Verwaltungsseite sind die Ressourcen begrenzt. (7)
Es gilt vielmehr, die Komplexität der OZG-Umsetzung zu verringern. Die 3 Mrd. Euro aus dem Corona-Konjunkturpaket dort einzusetzen, wo Lösungen gemeinschaftlich und zentral entwickelt werden (Prinzip „Einer für Alle“). Die Hoffnung: Schneller Lösungen zu bekommen, anstatt das „Rad immer wieder neu zu erfinden.“ (8)
Dieser Ansatz birgt zwei Herausforderungen. Das eine sind technische Gegebenheiten, das andere die Gefahr einer monopolartigen Anbieterlandschaft und einer möglichen Abhängigkeit der Verwaltungen von einem Anbieter. (8)
Im Grunde genommen braucht es eine Lösung, die bedarfsorientierte und innovative IT-Lösungen zulässt und gleichzeitig ein großes Maß an Standardisierung enthält, um die Übertragbarkeit und Kombinierbarkeit von Lösungen sicherzustellen.
Das Konzept des FIT-Stores berücksichtigt neben technischen Vereinfachungen auch vergaberechtliche Aspekte. Eine solche Plattform würde nicht nur die Komplexität reduzieren, sondern auch Orientierung geben, welche Lösung zu welchen Konditionen verfügbar ist. Mit FIT-Connect wird ein weiterer Baustein erprobt. (8)
Die zugehörige Abbildung 4 (Seite 10) veranschaulicht als Vorschlag Elemente und Prinzipien einer föderalen E-Government-Architektur. Und Abbildung 5 zeigt als Vorschlag Elemente und Prinzipien eines App-Stores für die Verwaltung für eine Austausch- und Beschaffungsplattform für standardisierte IT-Lösungen.
- Vollzugs- und Digitalisierungstauglichkeit der Gesetze und die Kontrolle durch den Digital-TÜV
Es ist bekannt, dass das volle Potenzial der Digitalisierung nur dann erreicht wird, wenn organisatorische und rechtliche Anpassungen integriert und umgesetzt werden. Doch die Bereitschaft „raus aus dem Labor“ und hin zum digitalisierungsfreundlichen Gesetzt ist begrenzt. (9)
Digitalisierung setzt voraus, dass Prozess neu durchdacht werden. Und nicht 1:1 aus der analogen Welt übersetzt werden. Das Formel lautet: „Praktikabilität und Digitaltauglichkeit von Gesetzen sind auch Qualitätsmerkmale guter Gesetzgebung“ – und nicht nur für die schnelle Erfüllung des OZG wichtig. (9)
Grafische Darstellungen und Abbildungen
- Abbildung 2 zeigt Umsetzungsstrukturen und Digitalisierungsverantwortliche. In der Mitte die Zielsetzung bis 2022, die Zielsetzung bis 2023 (Umsetzung der Single-Digital-Gateway-Vo) und das Umfeld: Viele Beteiligte, einige Fristen, und offene Fragen. (10)
- Abbildung 3 zeigt den Stand der OZG-Umsetzung aufgeschlüsselt nach den 14 OZG-Themenfeldern. (11)
- Abbildung 4 veranschaulicht in einem Vorschlag Elemente und Prinzipien einer föderalen E-Government-Architektur. (12)
- Abbildung 5 zeigt Elemente und Prinzipien eine App-Stores für Verwaltungen bezüglich einer Austausch- und Beschaffungsplattform für standardisierte IT-Lösungen. (13)
- Abbildung 6 fasst den Servicestand für die OZG-Umsetzung in 19 Punkten zusammen. Aufgeschlüsselt nach Nutzerzentrierung, Vorgehen, Offenheit, Technischer Betrieb und Wirkungscontrolling. (14)
- Abbildung 7 zeigt im Ampelsystem den Umsetzungsstand der Verwaltungsdigitalisierung auf Basis der Empfehlungen des NKR-Gutachtens „E-Government in Deutschland: Wie der Aufstieg gelingen kann“. (15)
Detailbetrachtung
Die Detailbetrachtung stellt dem Sachstand eine Bewertung gegenüber. Untersucht werden fünf Aspekte:
I. Verbindlichkeit, Zusammenarbeit, Steuerung (16)
- Das OZG setzt eine Zielmarke, die realistisch gesehen nicht mehr erreicht werden kann. Prioritär sollten die SDG-Leistungen digitalisiert werden.
- Die Verteilung der Federführerschaft für die OZG-Leistungen ist ein Erfolg. Ebenso die Durchführung von Digitalisierungslaboren als methodische Innovation.
- Eine Gesamtstrategie zur Nachnutzung und Flächendeckung steht aus.
- Eine verlässliche Dokumentation der Umsetzungsstände der einzelnen OZG-Leistungen würde Orientierung schaffen.
- Der „neue Geist der Zusammenarbeit“ von Bund, Ländern und Kommunen, positiv gestartet, droht zu stagnieren angesichts anstehender konfliktträchtiger Prozesse. Es braucht ein positives Storytelling.
- Die Strategie- Entscheidungs- und Steuerungsfähigkeiten bleiben hinter den Erwartungen zurück aufgrund von Beharrungskräften und Widerständen gegenüber dem Kulturwandel. „Eine Neuausrichtung der Governance, die Komplexität reduziert, Orientierung verbessert, Standardisierung fördert und Steuerung erleichtert, sollte erwogen werden.“
II. Organisation, Finanzierung, Personalressourcen
- Langwierige Besetzungsverfahren verzögerten den Einsatz von bereits Ende 2018 bewilligten Stellen im BMI. Die Personalressourcen sind immer noch nicht ausreichend. Vergleichbare führende Länder verfügen über ein Vielfaches des Personals. (17)
- Der Bund zeigt Umsetzungswillen und stellt zusätzlich Mittel zur Verfügung. Die Förderungen unterliegen jedoch Bedingungen („Einer-für-Alle-Monopole vermeiden, Investitionen in Standardisierung und Architekturmanagement sowie IT-Lösungen offen gestalten). (18)
- Das DIT (Digital Innovation Team) mit 5 Mitarbeitern und das Digital Service 4 Germany sollten eine institutionalisierte Innovationskompetenz zu bilden. Nach Vorbild der Dänen (Digitalisierungsagentur) oder der Briten (Government Digital Service) wäre zu überlegen, welche der beiden Einrichtungen eine ähnliche Rolle übernehmen könnte. Konsequent wäre es, hier die FITKO perspektivisch in Erwägung zu ziehen. (18)
III. Nutzerorientierung, Rechtsanpassungen, Datenschutz
- Entscheidende Voraussetzung für die Akzeptanz der Digitalangebote ist die Nutzerfreundlichkeit. Mit dem Digitalen Servicestandard liegt eine allgemeine Referenz vor. Dieser Servicestandard soll zukünftig als Startpunkt für jede Entwicklung genutzt werden sollte. (19)
- Prozesse und Verwaltungsleistungen vor der Digitalisierung zu vereinfachen ist bekannt. Aufgrund des engen Zeitplans ist ein „Minimal Viable Product (MVP)“ klug. Doch je umsetzungsorientierter das Recht angepasst wird, desto nutzerfreundlicher und praxistauglicher wird die anvisierte Lösung. (19)
- In diesem Zusammenhang ist die Ablehnung der Abschaffung der Schriftformerfordernis umso unverständlicher. (19)
- Ebenso unverständlich und nicht vorhanden der Digital-Check, obwohl im Koalitionsvertrag und durch Empfehlungen verstärkt, sollten Gesetze auf Digitaltauglichkeit geprüft werden. (19)
- Das Once-Only-Prinzip: Die „Fundamentalkritik der Datenschützer“ hinsichtlich der Verwendung eines einheitlichen Personenkennzeichens „ist nicht nachvollziehbar, einzelne Verbesserungsvorschläge schon. Diese sollten aufgegriffen werden.“ (20)
IV. Architekturmanagement, Infrastruktur, Standardisierung
- „Mit drei Klicks zur Leistung“. Der OZG-Erfolg besteht darin, dass die Onlineleistungen gefunden, nutzerfreundlich und gut präsentiert sind. Die vereinfachte Verknüpfung der Portale durch Verlinkung erfüllt dieses Ziel nicht. Ebenso leidet die Nutzerfreundlichkeit. Die Integration von Spezialportalen wird nicht aktiv verfolgt. Der Portalverbund zerfasert. (20)
- Positiv zu bewerten ist, dass es ein einheitliche Unternehmenskonto geben soll. Ob es auch hinsichtlich des Servicekonto gute Nachrichten geben wird, bleibt fraglich. (20)
- Der ePa (elektronische Personalausweis) muss auf einer Standard-eID-Lösung entwickelt werden, um Bürger nicht mit unterschiedlichen Technologien zu verwirren. (20)
- Deutschland benötigt ein „Architekturmanagement“, welches für das Zusammenwirken der infrastrukturellen Einzelprojekte und Basisdienste sorgt. Sowie ein „Standardisierungsregime“, das aus Schnittstellen und Prozessschritte harmonisiert sowie Interoperabilitätsregeln festlegt. Beides sorgt für Orientierung, reduziert Komplexität und unterstützt die flächendeckende Verbreitung guter Lösungen. (21)
Anhang
Bisherige Kernbotschaften im Überblick
Ein Überblick der Kernbotschaften von Monitor#1, September 2018 mit der ersten Frage: „Wo bleibt der digitale Staat“.
Über Monitor #2, Mai 2019 und der Aussage: „Start geglückt – Jetzt heißt es Kurs halten und Fahrt aufnehmen“.
Bis zu Fragen im Monitor #3, Oktober 2019: „Wie wird das OZG zum Erfolg?“.
Weitere Abbildungen
„Deutschlands Platz im internationalen Ranking“ (24) und die „Entwicklung Deutschlands im Zeitverlauf“ (25) sowie eine Abbildung Umfragewerte zum „Vertrauen in die Digitalisierungsfähigkeit der Regierung“.
Veröffentlichungen
Überblick über Veröffentlichungen des NKR zur Digitalen Verwaltung.
Unser Fazit
„Eine Neuausrichtung der Governance, die Komplexität reduziert, Orientierung verbessert, Standardisierung fördert und Steuerung erleichtert, sollte erwogen werden.“ Dieser Satz spiegelt viele unserer Erfahrungen wider, die wir in der Beratung und Begleitung machen.
Deshalb starten wir in unserem pragmatischen Ansatz immer mit der Frage: „Wo wollen Sie hin?“ Also was ist Ihr Ziel? Was sollen die Mitarbeiter ab morgen anders machen als heute? Und je konkreter Sie dieses Ziel formulieren, umso machbarer und steuerbarer wird der Weg dorthin. Gleichzeitig gibt es Orientierung für alle Beteiligten.
Sie kennen die Themen. Sie wissen um den Handlungsbedarf. Das Problem ist nicht die Erkenntnis, sondern die Umsetzung.
Hier packen wir an – gemeinsam mit Ihnen!
Über ILTIS
ILTIS steht für die erfolgreiche Implementierung Ihrer neuen Geschäftsmodelle und Veränderungsvorhaben. Dabei bringen wir Fähigkeiten, Prozesse und Systeme so zusammen, dass daraus wirkungsvolles Handeln resultiert.