Reifegrad der Digitalisierung: Warum das E-Mail-Postfach nicht ausreicht
Das OZG verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch anzubieten. Doch was heißt das genau, elektronisch anbieten? Wann kann eine Kommune ihre „Pflicht“ als erfüllt ansehen?
Und was verstehen Mitarbeiter überhaupt unter „Digitalisierung“? Ist eine Kommune digital, wenn ein zentrales Postfach eingerichtet wird? Oder eine Mängelmelder-App? Oder ist eine Kommune digital, wenn sie Smart City ist?
Das OZG ist sicherlich ein Treiber für Digitale Bürgerservices (Bürgerämter). Und damit verbunden auch Treiber für die internen Verwaltungsprozesse.
Doch reicht die Erfüllung des OZG aus, um als Kommune zukunftsfähig zu sein?
Welcher Reifegrad muss erreicht sein, damit das OZG erfüllt ist?
Das OZG macht keine Festlegung, wann eine Veraltungsleistung gesetzeskonform „elektronisch angeboten“ ist. Es legt nahe, dass Online-Leistungen möglichst medienbruchfrei digital und möglichst nutzerfreundlich umgesetzt werden sollen.
Das Modell der EU-Kommission bietet da eine geeignetere Grundlage. Darin werden 4 Stufen unterschieden.
- Stufe 0: Offline
Es liegen keine Informationen zur Leistung auf der Behördenseite vor. - Stufe 1: Information
Es liegen Informationen zur Leistung auf der Behördenseite vor. - Stufe 2: Formular-Assistent
Es werden Funktionen angeboten, die beim Ausfüllen des Formulars unterstützen. Eine Online-Beantragung ist nicht möglich. - Stufe 3: Online-Leistung
Die Beantragung der Leistung kann einschließlich aller Nachweise online abgewickelt werden. Dazu gehört, dass der Antragsprozess, die Authentifizierung und Nachweisübermittlung online möglich sind. Und dass ein Bescheid digital bereitgestellt wird, sofern der Nutzer einen digitalen Rückkanal bereitstellt. - Stufe 4: Online-Transaktion
Hier kann die Verwaltungsleistung vollständig digital abgewickelt werden. Das Once-Only-Prinzip wird für Nachweise umgesetzt. Das heißt, es müssen keine Nachweise erbracht werden, die der Verwaltung bereits vorliegen
Ab Stufe 3 gilt die OZG-Verpflichtung als erfüllt. Das Reifegradmodel der EU umfasst dabei zehn Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine bestimmte Stufe zu erreichen. Hierzu wurde ein Reifegrad-Check entwickelt, der nach Beantwortung eine Gesamtbewertung ergibt.
Schlagwort „window dressing“
Laut der Studie „Bürgerämter in Deutschland. Organisationswandel und digitale Transformation“ verharrt die Digitalisierungstiefe in deutschen Bürgerämtern auf einer sehr niedrigen Stufe. Die Informationsfunktion konnte zwar verbessert werden, jedoch ergeben sich bezüglich der Kommunikationsfunktion zwischen Verwaltung und Bürger, und insbesondere der Transaktionsfunktion erhebliche Lücken und Defizite.
Das Schlagwort hier ist „window dressing“. Also den Digitalisierungsfortschritt nach außen zu signalisieren ohne jedoch faktisch Erleichterung für Bürger und Beschäftigte zu realisieren.
Die Gründe für die Zurückhaltung sind vielschichtig. Zum einen liegen noch sehr hohe Barrieren vor. Wie die Schriftformerfordernis, technologische Hürden aber auch die Steuerung und die Kooperation zwischen den Ämtern und politischen Ebenen. Zum anderen erleben Mitarbeiter auch dysfunktionale und nicht beabsichtigte Effekte wie Überforderung oder Überlastung durch die Digitalisierung.
Ein weiterer Grund liegt mit Sicherheit auch im Verständnis von Digitalisierung.
Was verstehen Mitarbeiter unter Digitalisierung?
BürgerInnen suchen Wege zur Lösung ihres Anliegens. Brief, Telefon, Persönlich. Das sind die klassischen Wege. Jetzt mit der Digitalisierung sind E-Mail, App, Portale oder Online-Formulare hinzugekommen. In Digitalisierungsstrategien und Umfragen zu Best Practice-Beispielen finden sich viele Projekte, die zeigen, wie digital Kommunen sind.
Die Themenfelder reichen von Smart Government bis hin zu Smart City. Daran geknüpft zielen die Maßnahmen auf Gesellschaft, Infrastruktur oder Verwaltung ab.
Betrachtet man Digitale Bürgerservices erreicht laut der oben genannten Studie die elektronische Beantwortung von Bürgeranfragen, also die E-Mail-Kommunikation den höchsten Wert im Digitalisierungsverständnis der Mitarbeiter. Gefolgt vom Online-Terminmanagement.
Das ist aber nur Stufe 1 im Reifegradmodell.
Die Digitalisierung entspricht schlussendlich einer kompletten Verwaltungsreform, in der sich Prozesse und Abläufe und damit auch Organisationsformen komplett verändern werden.
Quelle: Aus Digitalisierungsstrategie Wuppertal
Ab Stufe 2 im Reifegradmodell ergeben sich Auswirkungen auf interne Prozesse, die ein erweitertes Verständnis für Digitalisierung erfordern. Für die Umsetzung von Digitalisierungsstrategien und um Ihre Kommune zukunftssicher zu gestalten, ist es unumgänglich, einen Blick auf diese Auswirkungen zu werfen.
Denn allein schon das Einrichten eines Digitalen Eingangs in Form eines zentralen Postfachs wird Prozesse und Abläufe verändern. Sie werden die bisherige Aufgabenerledigung überdenken müssen. Und in dem Zuge die Fragen nach Verantwortlichkeiten, Rollen und Entscheidungsbefugnissen neugestalten.
Corona hat viele „wilde“ Digitalisierungsprojekte hervorgebracht. Vieles war möglich, was zuvor in den Mühlen der Bürokratie hängen blieb. Das ist gut so.
Doch nun gilt es, Prozesse krisensicher zu gestalten aber auch kritisch zu hinterfragen, welche Maßnahmen sinnvoll und vor allem machbar sind. Denn schließlich geht es um die Zukunftssicherung Ihrer Kommune und das wirkungsvolle Handeln Ihrer Mitarbeiter.
Mit unserer Landkarte der Digitalisierung und einem einfachen Modell zum Verständnis von Digitalisierung, lassen sich Maßnahmen schnell überprüfen und mit unserem praktischen Change-Management-Ansatz bringen wir Ihre Projekte ins Handeln.
Wir sind soweit? Und Sie?
Über ILTIS
ILTIS steht für die erfolgreiche Implementierung Ihrer neuen Geschäftsmodelle und Veränderungsvorhaben. Dabei bringen wir Fähigkeiten, Prozesse und Systeme so zusammen, dass daraus wirkungsvolles Handeln resultiert.